Söhne der Erde

Es ist Mittwochnachmittag und mit noch unsicheren Schritten nähere ich mich meinem Ziel.

Eine alte Mühle irgendwo im nirgendwo soll für die nächsten fünf Tage mein zu Hause sein.

Ich habe mich für das erste Ausbildungsjahr der Söhne der Erde angemeldet, und dies ist unser erstes reales Treffen.

Ich durchschreite den Torbogen und betrete eine völlig neue Welt.

Das Gelände, wohlig eingebettet in ein kleines Bachtal, hat die Energie eines heiligen Gartens.

Ich fühle mich angekommen.

Als erstes begegnet mir ein Bruder der mich sofort an den Beorn, den Bärenmann aus dem kleinen Hobbit erinnert. Beorn ist aus dem Beowulf abgeleitet und bedeutet „Bienen-Wolf“ Ein Kenning des Bären, und das passt zu ihm.

Mir erscheint er wie ein Riese, tätowier, wild und rau kommt er daher, und gleichzeitig erfüllt von Schönheit und Güte.

Wir umarmen uns, er begrüßt mich, heißt mich willkommen und ich bin da.

Bruder um Bruder trifft ein, und obwohl wir uns bisher nur online getroffen haben, fühlen wir uns alle sofort verbunden.

Ich sehe die gleiche, leicht unsichere Anspannung auf das was kommt in den Augen aller Brüder.

Die Tür aus Decken wird bei Seite geschoben und ich krabble auf allen Vieren, ja fast auf dem Bauch kriechend, aus der Schwitzhütte.

Meine Stirn berührt den Boden der Schwelle und die Worte „für alle meine Verwandten“ kann ich nur noch hauchen.

Wenige Meter neben der Hütte liege ich bäuchlings im feuchten Gras, erfüllt und beseelt von den Erlebnissen eben gerade und einer Energie, die ich hier nicht in Worte fassen kann, gleichzeitig aufs Äußerste angestrengt aber auch befreit.

Das Gesicht tief in der Erde und dem Gras vergraben, habe ich plötzlich das irrwitzige Bedürfnis an der feuchten Erde unter mir zu lecken, sie mit der Zunge zu berühren und zu schmecken, in einer Form, die deutlich erotischer ist als vorangegangene sinnliche Naturerfahrung.

Eine Mischung aus salzigen und auch süßen Geschmäckern, gepaart mit einer unerklärlichen Würze, erinnert mich dieser Geschmack definitiv eher an den sinnlichen Geschmack einer Frau, als an das Probieren von Erde aus den Stunden zuvor.

Wo wir in den Stunden zuvor in der Arbeite an den vier Elementen uns auch sinnlich, d.h. mit allen Sinnen, mit der Erde verbunden haben, erlebe ich hier etwas gänzlich Anderes.

Dennoch gibt es keinen Hauch von Zweifel, hier das Richtige zu tu, keine Scham, denn aus der Schwitzhütte, dem symbolischen Uterus, wurde ich gerade als Kind von Mutter Erde neugeboren.

Gleichzeitig bin ich aber auch Mann und darf ihr jetzt nach dieser Initiation auch als Liebhaber begegnen.

Das heilende an der Arbeit der Männerarbeit der Kriegerschule ist, dass wir uns als „Männerthema“ viel um das spirituelle Weibliche und die Weiblichkeit in uns kümmern…Versöhnung statt Macho-Gehabe…

Mit wackeligen Beinen schaffe ich es schließlich mich aufzurichten und mich zum Eisbad zu begeben.

Ein etwa übermanns –großer, betonierter Bottich eingelassen und gespeist aus den Quellen der Umgebung, ist mit eiskaltem Wasser gefüllt.

Ohne weiteres Zögern schreit ich hinein und tauche unter 21… 22… Stille umfängt mich.

Einige Zeit später sitze ich warm eingehüllt am heiligen Feuer.

Wir haben abwechselnd Feuerwache, denn das heilige Feuer brennt Tag und Nacht während des gesamten Rituals.

Doch diesmal es ist keine kontemplative Zeit, in der ich alleine in der Dunkelheit dem Tanz des Feuers zu sehen darf, sondern eine frühe Wache, und so sitze ich mit noch einigen Männern, die auch noch nicht schlafen können im Kreis.

Ehrfurchtsvoll leise und doch hoch energetisiert von dem vorausgegangenen Ritual tauschen wir uns leise aus.

Ich fühle mich neugeboren, zu tiefst mit der Natur verbunden, aber auch mit den Männern mit denen ich dies erleben durfte.

Und so verbunden feiere ich das Leben im Hier und Jetzt und bin ganz bei mir.

Zeitsprung:

Es ist Sonntag und hinter mir liegen fast fünf Tage schamanische „Männer“ -Arbeit.

Eine tiefe innere Ruhe erfüllt mich, eine sanfte doch gleichzeitig kraftvolle Wahrnehmung meiner selbst.

Beim Abschied von den Brüdern sehe ich genau diese Energie in jedem von uns.

Wir haben unglaubliches erlebt, mal jeder für sich, doch oft geteilt.

Jetzt zwei Tage nach meiner Rückkehr, fällt es mir immer noch schwer das Erlebte in Worte zu fassen.

Und ich denke es bedarf auch keiner Worte, denn dies ist ein persönlicher Weg.

Für mich ganz klar ein Anfang, der Anfang einer wundervollen Reise und eine kraftvolle Transformation.

Aber was ist dieses „Söhne der Erde“ eigentlich?

Ein Wildnis -light Abenteuer für Großstädter?

Ein aufgehübschtes Achtsamkeitsseminar für gestresste Manager?

Das ganz gewiss nicht.

Bei den „Söhnen der Erde“ handelt es sich um das erste Jahr eines Ausbildungszyklus für schamanische orientierte, naturspirituelle Arbeit.

In den Worten der Kriegerschule selbst:

„Elementare Naturerfahrungen, tiefgreifende schamanische Rituale und zeitgemäßes Coaching führen dich auf dem Weg zu dir selbst zu einer deutlichen Erhöhung deines Selbstbewusstseins. Sicheres Auftreten, Entscheidungsfreude, Lebendigkeit und Vitalität sind die Merkmale von Menschen, die bei sich angekommen sind. Wer lieber nach seinen Gaben oder Talenten forscht als nach Gründen für ein unerfülltes Leben zu suchen ist bei diesem Training am richtigen Platz.“

https://www.kriegerschule.de/ausbildung-natur-ritual-coach

In diesem ersten Jahr des Zyklus bleiben wir Männer unter uns.

Schnell kommt der moderne, westliche Mensch zu dem Urteil, netter, esoterischer Schnickschnack, aber was tut das für uns?

Der Frage möchte ich hier nachgehen

Weniger der Frage nach dem Warum? ich diese Ausbildung machen, sondern der Frage was eine Hinwendung zu archaischen Methoden und naturspirituelle Arbeit, dem modernen Mensch im allgemeinen bringt.

Für mich, der schon lange seine Brötchen in einer sehr technokratisch, moderne Welt verdient, klafft immer stärker ein wahrgenommener Graben zwischen meiner alltäglichen Welt und meinen Sehnsüchten nach Geborgenheit und Verbindung mit der Natur.

Die zunehmende Technisierung unserer Welt und vor allem auch die fortschreitende Digitalisierung t, sorgen dafür, dass der „Homo digitales“ immer stärker den Bezug zu seiner natürlichen Umwelt verliert, und sich immer mehr in virtuelle Welten flüchtet. Twitter, Instagram und Co. ersetzen zunehmend eine echte Kommunikation und virtuelle Welten den Spaziergang im Wald.

Da helfen auch meine „Abenteuerurlaube“ einmal im Jahr nicht mehr.

Diese zum teil drastische Abgrenzung der Menschheit vom Rest unseres Planeten ist für mich einer der großen Triebfedern der sorglosen und egoistischen Zerstörung unserer Heimat, dem Planeten Erde.

In einem noch nie gekannten Maße betreibt der Mensch Raubbau an den natürlichen Ressourcen und hinterlässt in seiner Modernisierung Zerstörung, Vergiftung und Artensterben wohin man auch schaut.

Der überstrapazierte Begriff der Nachhaltigkeit dient den meisten Wirtschaftsbetrieben lediglich zum werben neuer Kunden, denn es ist ein Trendwort.

Doch wirklich nachhaltig denkt kaum einer.

Immer wieder wird in dem Verlauf der Ausbildung der Söhne der Erde unser Verhalten unsere Wünsche und unsere Gebete auf die nächsten sieben Generationen eingeschworen, eine Verpflichtung und Verantwortung wie ich sie auch gerne in den Vorstandsgremien unserer Großkonzerne sehen würde.

Und hier ist der erste Benefit der Zuwendung des modernen Menschen zu Naturerlebnissen und naturspiritueller Erfahrung. Eine Rückverbindung und ein erneutes Erleben unserer Verbundenheit mit der Natur, schafft eine Verbindung, die jenseits einer romantischen Vorstellung vom „edlen Wilden“ oder dem Campingausflug am See, ein tiefes Verständnis der Zusammenhänge und Abhängigkeiten auf unserem Planeten entstehen lässt.

Wenn ich mich also tatsächlich und wirklich erlebt und empfunden „mit allem verwandt“ fühle, so wie wir vor und nach jeder Schwitzhütte an der Schwelle beten, so ist diese  „für alle meine Verwandten“ nicht nur eine leere Worthülse, sondern ein Versprechen, dass wir der Natur, unserer Mutter der Erde und allen unseren Verwandten (das schließt Tier Welt, Pflanzenwelt und auch mineralische Welt mit ein) geben.

Und das mindestens für die sieben Generationen.

Die Hinwendung zu archaischen Riten und einer grundsätzlichen Naturverehrung im Sinne eines Verbunden -Fühlens, bedarf keiner bestimmten Religion, ja transzendiert diese sogar, und ist groß und liebevoll genug, für alle Wahrnehmung des Numinosen, ob wir es nun Gott, „the Force“, das All- Eins, oder anders benennen.

Und so ist der zweite Benefit dieser Ausbildung und der Beschäftigung mit diesen Themen auch die Befriedigung eines, wie ich glaube, allen innewohnenden Sehnens nach Spiritualität, nach Eingebunden -Sein, und nach dem Weisen eine Richtung die unser Leben einnehmen soll.

Ein emotionaler Kompass, nachdem ich mein Leben ausrichten kann.

Spiritualität für mich, ist ein Wahrnehmen einer übergeordneten Kraft die in allem und durch alles wirkt. Eine ewige Suche ohne Ende, eine Heldenreise, die mich als Mensch wachsen lässt.

Und so ist diese Ausbildung vor allem auch eine verspätete Initiation in das Erwachsen-Sein.

Das Sein als Mensch und Mann.

Wer auf esoterisches Pfadfinderlager für Erwachsene mit ein wenig Feenstaub hofft, ist in der Kriegerschule falsch. Wer martialisches Männer-Posieren und machomäßige Wildnis-Abenteuer sucht auch…
Jacks Spiritualität ist fein, tiefgründig, aber auch brutal ehrlich.
Er schafft es jeden dort abzuholen wo er steht, jeden in Liebe zu halten, aber er lässt einen auch erst vom Haken, wenn die Arbeit getan ist.
Wer sich also wirklich und ehrlich den Spiegel vorhalten möchte, wem an einer echten Transformation gelegen ist und dass durch einer tief gehende, aber herrlich unaufgeregten Naturspiritualität, der ist in der Kriegerschule genau richtig.

Aho

Die Bilder der Schwitzhütte mit freundlicher Genehmigung der Kriegerschule

2 Comments

  1. Lieber Thomas,
    das hast du sehr treffend formuliert und dokumentiert.Du sprichst mir aus der Seele.Ich freue mich auf ein baldiges Wiedersehen.
    Fühl dich gedrückt
    Sven

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