„Wilde Banden“ im Meetingsaal? – Wie die Magie des Clanlebens unsere Zusammenarbeit beflügeln kann

Unter des Laubdachs Hut
Wer gerne mit mir ruht
Und stimmt der Kehle Klang
Zu lustger Vögel Sang:
Komm geschwinde! geschwinde!
Hier nagt und sticht
kein Feind ihn nicht
Als Wetter, Regen und Winde.

 Wer Ehrgeiz sich hält fern,
Lebt in der Sonne gern,
Selbst sucht, was ihn ernährt,
Und es mit Lust verzehrt:
Komm geschwinde! geschwinde!
Hier nagt und sticht
kein Feind ihn nicht
Als Wetter, Regen und Winde.

Lyricist: William Shakespeare from As You Like It Act II, Scene V.

https://www.cpdl.org/wiki/index.php/Under_the_greenwood_tree

Mit noch leicht steifen Gliedern schäle ich mich, fast wie ein Igel nach dem Winterschlaf, aus dem Laubhaufen in dem ich die Nacht verbracht habe.

Es ist noch früh, die Vögel haben mich mit ihrem Gesang geweckt an diesem noch recht frischen Frühlingsmorgen.

Bei näherem Hinsehen entpuppt sich der Laubhaufen in dem ich übernachtet habe als Not -Unterkunft, die ich gestern mit Hilfe von Stöcken und Laub gebaut habe.

Ich befinde mich nicht wie typisch für mich, auf einer Wildnisreise durch die nordischen Landschaften, sondern in Bremen Umland.

Um zwischendurch mal wieder ein wenig Wildnisluft zu schnuppern nehme ich an einem Wochenend- Wildniskurs Kurs der Wildnisschule Schattenwolf teil.

Passend, fand ich damals schon, heißt doch meine eigene Homepage Wolfswege, und auf denen bewege ich mich. Gern auch im „Rudel“.

Wir befinden uns auf dem Camp- Gelände, dass eigentlich einem Pfadfindern-Stamm gehört und irgendwie finde ich das cool, denn auch wir zelebrieren hier Clan-Leben auf Zeit.

Wenige Schritte von mir entfernt brennt schon in der Feuerstelle ein kleines Lagerfeuer und lockt mich mit seiner Wärme.

Zwei weitere Teilnehmer meines Kurses sind schon damit beschäftigt weiteres Feuer-Holz zu spalten.

Gleichsam noch wie ich verschlafen, ist ihr Blick von einer typischen Klarheit, wie ich ihn häufig bei Teilnehmern solcher Kurse beobachten kann.

Wir nicken uns zu und flüstern fast das „Guten Morgen“, leise und bedächtig werden die Worte gewählt, um die Magie des Augenblicks nicht zu stören.

Die anderen Kursteilnehmer scheinen noch zu schlafen.

Während ich neben dem größer werdenden Feuer hocke und meine noch klammen Finger wärme, fällt mein Blick auf die große, rußverschmierte Kaffeekanne, in der wir schon gestern unseren Frühstückskaffee zubereitet haben.

„Noch jemand Kaffee?“  frage ich in die Runde.

Ein strahlendes Lächeln, wie von Kindern unterm Weihnachtsbaum, beantworte diese Frage.

Ich stromere also los um Wasser zu holen. Als ich mit der gefüllten Kaffeekanne wiederkomme, haben sich zwei weitere Kursteilnehmer eingefunden, jeder mit einem Bündel Feuerholz im Arm.

„Bei uns am Zelt liegt noch ganz viel davon- wir haben gedacht wir bringen schon mal was mit“, tönt es uns entgegen und ebenso lächelnd und beseelt scharen wir uns nun gemeinsam ums Feuer. Geschichten über die Kälte der Nacht, die ungewohnten Geräusche im Dunkeln und das Übernachten im Laub machen leise die Runde.

Fast andächtig ist die Stimmung, während wir darauf warten, dass das Wasser im Kaffeekessel sein sprudelndes Liedchen für uns pfeift.

Als der Kaffee aufgekocht is und trinkfertig den Weg in meine Alutasse findet, ist auch der Rest der Truppe wach. Als letztes erscheint Björn, der Kursleiter und seinen Hunden Nanuq. Er kommentiert stumm die Szene mit seinem typischen, ruhigen Lächeln und einem tiefen Ausdruck der Verbundenheit in seinen Augen.

Nanuq wiederum begrüßt uns deutlich engagierter, ehe er sich dann neben Björn zur Ruhe bettet.

Den Blick abwechselnd in die Kaffeetasse und dann in die Runde gerichtet werden weiter Heldenlieder auf die vergangene Nacht gesungen…

„Ich würde vorschlagen wir bereiten das Frühstück zu“, ergreift Björn dann etwas bestimmter das Wort, „denn wir haben noch viel vor heute.“ Ein Augenzwinkern.

„Nach dem Frühstück werden wir lernen wie man in der Wildnis Wasser findet und reinigt.“

Als ich sehe wie automatisch andere Gruppenmitglieder aufstehen und nach den Vorräten greifen, schnappe ich mir den großen Wasserkessel in dem wir unser Müsli aufkochen wollen und ohne dass ich es sagen muss ist klar: das ist mein Job heute, denn ich kenne den Weg zum Wasser bereits.

Was hat dieses kleine Wildnisabenteuer, dieser Kurzurlaub in der Rückverbindung zur Natur, mit Führung zu tun?

Nichts werden einige denken, andere wiederum werden sagen: „ja solche Formate gibt es auch für Manager“- aber darauf möchte ich nicht hinaus.

Was ich dort erlebt habe, habe ich schon in vielen Wildnisreisen erlebt, unabhängig davon, ob mit Familie, Freunden, oder in Reisegruppen.

Es geht um einen Automatismus, der sich beobachtbar immer wieder auf solchen Wildnisreisen einstellt. Die Magie des Clans!

Wir Menschen haben viele Jahrzehntausende, wenn nicht gar Jahrhunderttausende, frei umherstreifend, als Jäger und Sammler in kleinen Gruppen, eben Clans, gelebt. Diese Erfahrung begleitet uns immer noch.

Es ist Bestandteil unserer DNA, mindestens aber ein wichtiger Teil des Kollektivbewusstseins aller Menschen. In diesen kleinen Gruppen, wenn man sie denn natürlich miteinander interagieren lässt, entsteht eine wundervolle Eigendynamik in der Aufgaben, scheinbar ohne definierte Führung, fast wie von Zauberhand alleine gelöst werden.

Fast ohne Absprache übernehmen unterschiedliche Menschen die notwendigen Aufgaben und so greifen die Rädchen ineinander und nach einer Weile, oft fast reibungsfrei werden alle Tagesaufgaben erledigt. Häufig zu beobachten ist, dass Menschen ihre Lieblingsaufgaben, d.h. ihre Talente und ihre Neigung, direkt in die Gruppe einbringen. Es gibt immer jemanden der als erstes das Feuer anmacht, es gibt immer jemanden der die Stille des Spaziergangs nutzt um Feuerholz zu sammeln, weil er mal Zeit für sich braucht und selbst zu Hause eher unliebsame Aufgaben wie das auf Spülen, fallen in der Energie dieser Gruppen oftmals leichter.

Nur manchmal für bestimmte Aufgabenstellung braucht es so etwas wie Anführer, oftmals eher nur einen Impulsgeber, jemanden der einfach ausspricht was getan werden muss, oder der sagt: „Ich mach das jetzt, wer kommt mit?“

Oft setz den Impuls derjenige mit der höchsten Fachkompetenz, oder zumindest wird er als Entscheider in die sehr kurzen Diskussionen um das „wie“ und das „was“ eingebunden.

Was wir hier sehen ist etwas was ich „Leadership per Competence“ also Führung durch Kompetenz nenne.

 Es ist eine Energie die die Gruppe verbindet und auf ein klares Ziel ausrichtet.

Braucht es eine bestimmte Energie, einen Impuls, findet sich fast immer automatisch jemand der sich dem annimmt, sozusagen das Zepter in die Hand, ohne dass es einer klaren Rollenverteilung im permanenten Sinne oder eine Aufforderung bedarf.

Und ebenso selbstverständlich lässt er/sie es auch wieder los.

Und in der Stille der Wildnis kommen dann oft auch die Talente des stillen Teilnehmers zum Tragen. Werden plötzlich ganz ungewohnte Qualitäten freigelegt.

Nur dann, wenn Neuland betreten werden muss, also quasi ein neues Projekt wie in unserem Fall das Wasser finden, gestartet werden muss, braucht es eine klar definierte Führungsrolle desjenigen der sozusagen den Projektplan kennt.

Wenn wir das in unseren Arbeitsalltag übertragen würden, hätten wir häufig deutlich agilere, produktivere aber vor allem auch kreativere Teams, und eine Zusammenarbeitskultur gegenseitiger Wertschätzung.

In der modernen Welt in der Führungsrollen häufig per Organigramm diktiert werden und in der vor allem abstrakte Ziele und Parameter unklar im Projekt- Plan verklausuliert werden, fehlt es häufig an dieser verbindenden Energie.

Diese Energie stellt allerdings einen seit Jahrtausenden erprobt Nährboden da, den wir für das gedeihen von Gemeinschaftsprojekten so dringend brauchen.

In der der Spagat zwischen Integration und Individualisierung gelingen kann.

Was können wir also aus der Wildnis mitnehmen in den Arbeitsalltag und lernen für ein gutes Teamwork innerhalb unserer Firma?

Wir brauchen eine klare Energie des Clans, ein Zusammenhalt, ein Wir-Gefühl.

Dieses wir Gefühl muss geprägt sein von gegenseitiger Akzeptanz und Vertrauen.

Wir brauchen entweder gewohnte Abläufe d.h. Arbeitsalltag oder eine klare Beschreibung des Ziels.

Wir müssen vertrauen, dass die richtigen Menschen zur richtigen Zeit entlang ihrer Kompetenzen und Talente die richtigen Entscheidungen fällen.

Wir brauchen Wege, also Methoden um Ideen zu hören, zu bewerten und Entscheidungen so zu treffen, dass alle zumindest mit dem Gefühl gehen, „Ich wurde gehört“.

Dazu eignet sich das Lernfeld des Lagerfeuergespräches, der „Circle Talks“ und andere „wilde“ Methoden hervorragend.

Dazu gibt es von mir auch bestimmt noch einen separaten Blog Beitrag.

Und wir brauchen Vorgesetzte, Teamleiter, Entscheidungstreffer, die Raum lassen und vertraue. Die nur an Weggabelungen den rechten Weg weisen, oder im Krisenfall kurzfristig das Ruder übernehmen, um uns auf Kurs zu halten.

Diese Anführer nenne ich gerne Häuptlinge, denn ihr Job ist es eine fürsorgliche Art und Weise gute Entscheidung für den Stamm, unseren Clan zu treffen, auch wenn diese für Einzelne manchmal unbequem sein mögen.

Und wir brauchen jemanden der diesen magischen Raum, die Energie des Teams offen halten kann für das produktive Arbeiten und kreative Entscheidung.

Diese Funktion nenn ich gerne den Schamanen oder die Schamanin.

Also, nicht nur ich…

Die Anthropologin und Gesellschaftsforscherin Jitske Kramer auch: https://www.youtube.com/watch?v=pDAAnGrG_DI

Der Schamane oder die Schamanin und der Häuptling bilden zusammen die Gegenpole, ist der Schamane die Schamanin eher der Eros, das Oxytocin, das Hormon der Gruppe und der Harmonie, so ist der Häuptling eher der Logos, die Kraft des Verstandes, das Testosteron, der Antreiber und Formgeber.

(Siehe dazu Veit Lindau „Genesis“)-

https://hi.homodea.com/genesis/?utm_source=internal&utm_medium=website&utm_campaign=veitlindaucom))

Im spirituellen Kontext sehen wir hier, dass wir ein Gleichgewicht männliche und weibliche Attribute brauchen. Ying und Yang in einer ständigen Pendelbewegung. Über die Führungsrolle Schaman*In und Häuptling (hier ist gendern schwer) werde ich in einem weiteren Blog Beitrag noch mehr erzählen.

Aber diese Form achtsamer und konstruktive Zusammenarbeit, die entgegen mancher Befürchtung nicht langsam und zäh sein muss, sondern bedacht und zielgerichtet, ist eine wundervolle Form auch moderne Zusammenarbeit.

Und hier sehen wir dann auch auf ganz natürliche, herrlich unaufgeregte Art und Weise eine unausgesprochene Spiritualität in jedem von uns ganz automatisch entstehen, wenn wir in unsere Kraft, unserem So-Sein am Feuer begrüßt werden. Und wir sein dürfen.

Und deswegen halte ich das temporäre eintauchen in die Natur und Clanleben auf Zeit für ein starkes Werkzeug, um diese Qualitäten in uns wieder neu zu entdecken.

Bildet Banden und versammelt euch ums Feuer! Lasst die Magie des Clans in Euch wirken!

Euer Tom

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